Wahrnehmung

Das Fach Menschliches Leistungsvermögen ist das einzige, bei welchem – bereits dem Namen nach – der Mensch im Mittelpunkt steht. Der „Faktor Mensch“ wurde zu Beginn der Fliegerei im letzten Jahrhundert nicht mit der Priorität bedacht, die er eigentlich verdient gehabt hätte. Immer noch liegt der Schwerpunkt jeder Piloten- und Fernpilotenausbildung auf dem Technischen und nicht dem Menschlichen. In den letzten Jahren entwickelten sich Themen wie das menschliche Leistungsvermögen und das Verhalten in Konfliktsituationen jedoch immer mehr zu einem großen und wichtigen Themenbereich.

Der Mensch stellt einen entscheidenden Faktor im Gesamtsystem Luftfahrzeug dar. Arbeitsgruppen und Fortbildungen in den Bereichen Kommunikations- und Konfliktmanagement nehmen heute einen großen Stellenwert ein und wirken sich positiv auf die Sicherheit im gesamten Luftverkehr aus. Schließlich ist es nach wie vor der Mensch, der die Entscheidungen trifft und die Technik lediglich das Mittel, um ein Ziel möglichst gut zu erreichen.

Auch im Bereich der unbemannten Luftfahrt wird dem Thema „Menschliches Leistungsvermögen“ (HPL – Human Performance and Limitations) ein hoher Stellenwert beigemessen. Zu Recht, denn auch hier kommt dem verantwortungsvollen Handeln des Fernpiloten / der Fernpilotin eine große Bedeutung zu. Dies schließt ein, dass Sie sich als Fernpilot / Fernpilotin über die eigenen Fähigkeiten und Grenzen bewusst sind und auf Verhaltensstrategien zurückgreifen können, welche Ihnen in kritischen Situationen eine Hilfe sind.

In diesem Modul „Menschliches Leistungsvermögen“ sollen dementsprechend grundlegende Kenntnisse vermittelt werden, die Ihnen dazu dienen können, die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen und richtig anzuwenden. Dabei kann es auf keinen Fall das Ziel sein, die menschliche Anatomie, Physiologie oder Psychologie vollständig zu erklären oder verbindliche Verhaltensweisen zu bestimmen. Vielmehr soll ein erster Eindruck vermittelt und ein Bewusstsein für die Fehleranfälligkeit eines jeden Menschen geschaffen werden. Wenn dies dazu führt, dass Sie sich kritisch und reflektierend mit den eigenen Fehlern und Schwächen auseinandersetzen, ist bereits ein wesentliches Ziel erreicht.

Zusammenfassung Modul 2 – Menschliches Leistungsvermögen
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Einführung

Im Fokus von Modul HPL 2 steht die Wahrnehmung des Fernpiloten / der Fernpilotin, welche die Grundlage für Entscheidungen jeglicher Art ist.

Im Folgenden wird dementsprechend auf die so genannte

  • „Situational Awareness“,
  • Faktoren bei der Einschätzung von Flughöhe, Entfernung und Geschwindigkeit sowie
  • Flüge bei Dunkelheit

eingegangen.

Situational Awareness

Bevor Entscheidungen getroffen werden können, müssen aktuelle Informationen und Daten erfasst und interpretiert werden. Sie müssen also zunächst ein mentales Bild der Situation erhalten, sich quasi einen Überblick verschaffen. Relevante Informationen wären beispielsweise die aktuelle Position und Flughöhe des unbemannten Luftfahrzeugs. Anschließend muss die Bedeutung dieser Informationen verarbeitet, verstanden und interpretiert werden. Zum Beispiel, ob sich die aktuelle Position in der Nähe eines Flughafens oder eingeschränkten Luftraums befindet.

Auf dieser Grundlage kann nun eine Vorhersage getroffen werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit etwas als nächstes passieren wird – beispielsweise das Eindringen in den Luftraum – oder welche Maßnahmen als nächstes erforderlich sind – wie das Ändern der Richtung oder der Flughöhe.

Diese beschriebenen Schritte werden zusammen als „Situational Awareness“ (SA) bezeichnet. Das bedeutet so viel wie das „große Bild“ einer Situation zu haben und sich dessen bewusst zu sein, was wahrscheinlich als nächstes kommt.

Die Situational Awareness kann durch die folgenden Faktoren beeinflusst werden:

  • Persönliche Bedingungen wie Müdigkeit, Arbeitsbelastung, Stress und Erfahrung mit einer Situation
  • Umgebungsbedingungen wie Sichtweite, Wetter, Ablenkungen und andere Flugobjekte
  • Systemprobleme wie die Komplexität und Leistung des unbemannten Luftfahrzeugs, der Automatisierungsgrad der Prozesse, die involvierten Personen und Maschine-/Mensch-Schnittstellen wie die Fernbedienung

Flughöhe und Entfernung

Die Einschätzung von Entfernung und Geschwindigkeit eines Objekts ist ziemlich schwierig. Befindet sich das Objekt in der Nähe des Betrachters, bestimmen wir mit den Augen den Abstand. Auf kurze Distanz, ungefähr um die Länge der Arme, ist dies sehr genau. Mit zunehmender Entfernung wird die Einschätzung jedoch immer unzuverlässiger.

Die Augen sind nicht in der Lage, größere Entfernungen präzise zu messen, sodass subjektive Bewertungen hinzukommen, die auf Erfahrung und Wissen basieren. Wir vergleichen die Größe eines Objekts dabei mit unserer visuellen Datenbank – so kann beispielsweise ein bekanntes Auto als Referenz dienen.

Ein unbemanntes Luftfahrzeug ist ein sehr kleines Objekt, weswegen die Einschätzung der Entfernung sehr schwierig ist und häufig von Illusionen beeinflusst wird. Um die Flughöhe eines unbemannten Luftfahrzeugs in größerer Entfernung abzuschätzen, kann zum Beispiel ein bekanntes Objekt am Horizont wie ein Haus oder ein Baum hinzugezogen werden. Dies ist nur dann zuverlässig, wenn die tatsächliche Größe des Referenzobjekts bekannt ist und sich beide Objekte (UAS und Referenzobjekt) ungefähr im gleichen Abstand vom Beobachter befinden. Gehen Sie aber in jedem Fall aber davon aus, dass eine signifikante Abweichung zwischen Ihrer visuellen Wahrnehmung von Entfernung und Flughöhe und der tatsächlichen Position des unbemannten Luftfahrzeugs bestehen kann.

Selbst wenn Sie sowohl Ihre Position als auch die Position eines Luftraums oder die Platzrunde eines Flughafens in der Nähe kennen, ist es immer noch sehr schwierig, die Position der Luftraumgrenze einzuschätzen. Ohne signifikante Referenzen am Boden – beispielsweise Autobahnen oder Flüsse – besteht eine hohe Gefahr, in einen restriktiven Luftraum einzufliegen oder den Mindestabstand zu anderen Flugobjekten zu unterschreiten. Seien Sie deswegen zu jedem Zeitpunkt vorsichtig.

Wenn Sie auf technische Systeme zur Ermittlung dieser Daten zugreifen können – zum Beispiel GPS-Signale oder ein Höhenmesser-Feedback – verwenden und vertrauen Sie diesen Informationen in erster Linie.

Eine wichtige Entfernung ist auch die Entfernung zu Wolken. Wenn ein unbemanntes Luftfahrzeug in der Nähe von Wolken betrieben wird, kann die Reaktionszeit zur Vermeidung einer Kollision in der Luft unzureichend sein, wenn ein bemanntes Luftfahrzeug aus der Wolke kommt!

Nicht zu unterschätzen ist ebenfalls der Einfluss von atmosphärischen Bedingungen auf unsere Wahrnehmung von Distanz. Feuchtigkeit, Rauch oder andere Partikel in der Luft können ebenso zu Fehleinschätzungen führen wie die Sonneneinstrahlung.

Geschwindigkeit

Um die Geschwindigkeit eines anderen Objekts, beispielweise eines Hubschraubers oder eines Militärflugzeugs, abzuschätzen, benötigen wir ein gutes Urteilsvermögen, das von verschiedenen Faktoren abhängt. Eine große Rolle spielt dabei die Erfahrung. So können frühere Beobachtungen des regulären Flugverkehrs einen Eindruck von Geschwindigkeit und der Zeit vermitteln, die benötigt wird, um eine bestimmte Position zu erreichen. Ohne solche Referenzen oder bei Fehleinschätzungen, beispielsweise des Flugzeugtyps, können schnell gefährliche Situationen entstehen.

Ein entscheidender Faktor bei der Einschätzung ist zudem die Bewegungsrichtung des Verkehrs. Generell ist es einfacher, die Geschwindigkeit von Objekten einzuschätzen, die sich genau senkrecht in Bezug auf die eigene Position und Blickrichtung bewegen. Dieser Verkehr ist häufig kein Risikofaktor für den eigenen Betrieb.

Deutlich schwieriger ist die Einschätzung der Geschwindigkeit von sich direkt oder schräg annähernden Flugobjekten. Dabei besteht ein großer Unterschied zwischen einem herannahenden Propellerflugzeug oder einem militärischen Kampfjet. Dieser wichtige Unterschied kann jedoch häufig nicht direkt erkannt werden.

Dunkelheit

In der Dunkelheit benötigen die Augen etwa 30 Minuten, um sich an die Umgebung anzupassen. Ohne diese Anpassung ist das Erkennen und Identifizieren von Objekten deutlich erschwert. Sind die Augen an die Dunkelheit angepasst, sollte helles Licht unbedingt vermieden werden.

Es gibt mehrere Faktoren, die sich auf die Nachtsichtfähigkeit auswirken:

  • Verschiedene Lichtfarben können unterschiedliche Eindrücke der Entfernung vermitteln. Grünes Licht erscheint beispielsweise heller als rotes Licht, was den Eindruck erwecken kann, dass die grüne Lichtquelle näher ist. Rotes Licht erscheint hingegen dunkler und vermittelt die Illusion weiter hinten zu sein.
  • Nicht zu vernachlässigen ist auch, dass eine durch Rauchen oder das Einatmen von Abgasen verursachte Kohlenstoffmonooxidvergiftung die Nachtsichtfähigkeit aufgrund einer so genannten „anämischen Hypoxie“ negativ beeinträchtigen kann.

I’M SAFE Checkliste

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass Sie sich als Fernpilot / Fernpilotin über die Auswirkungen einer begrenzten körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit unbedingt bewusst sein müssen. Viele Faktoren beeinflussen direkt oder indirekt Ihre Leistungsfähigkeit und damit auch Ihr Vermögen ein unbemanntes Luftfahrzeug zu steuern. Unterschätzen Sie nicht die Verantwortung gegenüber Ihrer Umwelt! Seien Sie ehrlich zu sich selbst und gehen Sie vor jedem Flug die so genannte „I’m safe“ Checkliste durch.

I für Illness (Krankheit): Bestehen Krankheitssymptome, welche die Steuerungsfähigkeiten eines unbemannten Luftfahrzeugs beeinflussen könnten?

M für Medication (Medikamente): Nehmen Sie aktuell Medikamente?

S für Stress: Stehen Sie unter Stress oder psychischem Druck?

A für Alcohol (Alkohol): Haben Sie in den letzten 8-24 Stunden Alkohol getrunken?

F für Fatigue (Müdigkeit): Hatten Sie ausreichend Schlaf, Essen und Trinken?

E für Emotion (Gefühle): Haben Sie ausreichend Abstand zu extremen Gefühlssituationen?

Nur wenn Sie alle Fragen zufriedenstellend beantworten können, sind Sie dazu in der Lage, ein unbemanntes Luftfahrzeug abheben zu lassen.

Übungsaufgaben

Nach dem Durcharbeiten eines vollständigen Moduls können Sie ihr Wissen mit Hilfe von Übungsaufgaben testen. Mit einem Klick auf die unten stehende Schaltfläche werden Sie auf die Übungsseite weitergeleitet. Die Übungsaufgaben können ohne Beschränkungen wiederholt werden.

Übungsaufgaben

Zusammenfassung – Shortcut

Zusammenfassung Modul 2 – Menschliches Leistungsvermögen

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